Was kommt nach der Europäischen Union?

Allemagne   Drittes Internationales Forum

16.-18. September 2016, Chianciano Terme, Italien

Der Verrat der Europäischen Union an ihren proklamierten Zielen von Gerechtigkeit, Brüderlichkeit, Freiheit, Kooperation, Solidarität und Frieden hat sich abermals an den kürzlich mit Großbritannien und der Türkei geschlossenen Verträgen gezeigt. Die Masken fallen und das wahre Gesicht wird immer deutlicher sichtbar.

Nur eine kleine Minderheit hatte sich seinerzeit gegen die „Absurdität“ aufgelehnt zutiefst ungleichen Volkswirtschaften eine gemeinsame Währung und so unterschiedlichen Gesellschaften gemeinsame Institutionen aufzuzwingen. Das Währungsregime ist heute in der Tat auf ein Monopol der Geldschöpfung durch ein supranationales, hyperfinanzialisiertes System gestützt, das gegen die Staaten und die Bevölkerungen spekuliert.

Doch was als „absurd“ erscheinen könnte hat tatsächlich seine eigene Rationalität: Die Schleifung der Nationalstaaten entspricht den konvergierenden Interessen der verschiedenen Bourgeoisien, in erster Linie den großen transnationalen Konzernen, den finanziellen wie industriellen, die seit langem zusammenwirken.

Die proeuropäische Erzählung verdeckte die neoliberale Ideologie (eingemeißelt in die Verträge der Union), die politisches Eingreifen in die Märkte zurückweist. Alle Hindernisse für die Diktatur des Kapitals über die Arbeit wurden niedergerissen, die unbegrenzte Bewegungsfreiheit des Kapitals hergestellt. Öffentliches Eigentum war zu privatisieren.

Die große Mehrheit der europäischen Linken ist schuldig dieses reaktionäre Konstrukt als fortschrittlich bezeichnet und verteidigt zu haben. Das war ein unerhörter Verrat an den Interessen und Aspirationen der Masse der Bevölkerung. Es handelte sich um einen zweiten „4. August“ (1), begangen im Namen einer neoliberalen Globalisierung die zynisch als internationalistisch „verkauft“ wurde.

Unter den Schlägen des aus den USA kommenden Finanzsturms stand die Europäische Union am Rande der Implosion. Der Zusammenbruch konnte nur mit extremen Notmaßnahmen verhindert werden, deren enorme soziale Kosten von der breiten Masse der als PIGS (2) und/oder „Peripherie“ bezeichneten Länder getragen wurden.

Die Völker versuchten auf verschiedene Weise dem sozialen Massaker Widerstand entgegenzusetzen, durch große Mobilisierungswellen von unten an den Wahlurnen, wodurch neue politische Bewegungen und Parteien entstanden. Diese, manchmal ohne ideologische Festlegung und oft transversal und sozial heterogen, haben nicht nur die Zurückweisung der Abbau- und Austeritätspolitik, der neoliberalen Erpressung, sondern auch den Wunsch nach Wiedergewinnung der verlorenen oder verratenen nationalen und Volkssouveränität zum Ausdruck gebracht.

Die „Rettungsoperationen“ der EU in Form von Austeritätsmaßnahmen, die bis heute in den Mitgliedsstaaten durchgeführt werden, haben zerstörerische Auswirkungen.

Tatsächlich zeigt der Gang der Dinge, dass der Euro und die Union sich in Auflösung befinden. Die Versuche der herrschenden Klassen dies zu verhindern verlängern nur die Agonie der EU. Ihr Ende ist unabwendbar. Die Pro-EU-Eliten, von unten immer mehr angezweifelt, werden ihren Platz soziopolitischen Kräften der Veränderung abtreten müssen. Diese werden morgen gefordert sein, die verschiedenen Nationen zu führen, die ihre Souveränität wiedergewonnen haben. Die Kräfte haben unterschiedlichen Klassencharakter und verfolgen unterschiedliche, in gewissen Fällen sogar entgegengesetzte Ziele. Während in einigen Ländern die Parteien der reaktionären und xenophoben Rechten (manche unter ihnen sogar noch wirtschaftsliberaler und antidemokratischer als die heutigen Regierungen) nach vorne drängen, steigen in anderen politische Massenbewegungen für die Wiederherstellung der Demokratie und die Reduktion von Ungleichheit auf... Mit den Letzteren ist es möglich eine Einheitsfront zur Sprengung des europäischen „Gefängnisses“ zu bilden, sowie Demokratie und soziale Gerechtigkeit herzustellen. Jedes Volk kann so seine Souveränität und Unabhängigkeit wiedergewinnen. Uns ist klar, dass die Befreiung nicht einfach sein wird.

Man hat erlebt in welcher Weise in Griechenland der Staat seiner Souveränität beraubt wurde und wie das griechische Volk in eine Masse von Individuen ohne Rechte verwandelt wurde. Die supranationalen neoliberalen Institutionen können als terroristisch bezeichnet werden.

Die Völker bedürfen politischer Parteien mit Mut, klaren Ideen und Zielen – anders als Syriza. Sie werden sich nicht befreien können, wenn sie den Prozess der demokratischen Revolution nicht bis zum Ende gehen. Andernfalls könnte uns das Zusammentreffen der Krise der neoliberalen Globalisierung und dem Zerbrechen der Europäischen Union sowie des Euro in eine neue Barbarei stürzen.

Das Dritte Internationale Forum will einen offenen Raum für Diskussionen zwischen den verschiedenen demokratischen Kräften bieten. Sie sollen der der Entwicklung einer gemeinsamen Strategie dienen, die die Basis für eine internationalistische Allianz der Völker und Nationen auf der Grundlage des Austritts aus dem Euro, der EU und der Nato legt. Angesichts der neoliberalen Globalisierung brauchen wir einen Prozess der Deglobalisierung, der in jedem unserer Länder konzipiert und ins Werk gesetzt werden soll.

Alle, die an dieser großen Aufgabe mitwirken wollen, laden wir zur Teilnahme am Dritten Internationalen Forum ein.

1 Am 4. August 1914 verriet die Sozialdemokratie das Prinzip der Verteidigung des Friedens in dem sie für den Bruderkrieg zwischen den europäischen Völkern stimmte.
2 PIGS (wörtlich Schweine) ist eine Abkürzung die erstmals von Journalisten 2008 für folgende vier Länder der EU verwendet wurde: Portugal, Irland, Griechenland und Spanien.